Bike - Radtourenberichte
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Elberadweg von Prag nach Magdeburg

Elberadweg

Von Prag nach Magdeburg

"Was wollen Sie denn mit den Rädern, wenn Sie eh die ganze Strecke mit der Bahn fahren?". Das fragte der Schaffner in Zwickau. Sein Gesicht bei unserer Antwort war köstlich. "Nun, wir fahren die ganze Strecke von Prag zurück nach Magdeburg mit dem Rad."

Anreise - 1. Tag in Prag

Kai, Katja, Ivo und ich - zu viert nach Prag und mit dem Rad zurück. Losgehen soll es morgens um halb 5 am Magdeburger Hauptbahnhof. Ivo schafft es erwartungsgemäß nicht aus eigener Kraft mit dem Rad zum Bahnhof (siehe Donautour 2001). Er fährt mit dem Auto vor, sein Rad im Kofferraum. Er hat verschlafen. Vergessen hat er auch etwas: die Spannbänder zum befestigen der Packsäcke auf dem Gepäckträger. Was er noch nicht weiß: Dies ist die erste "Panne des Tages" der Tour. Weitere werden folgen.

Dennoch geht es pünktlich los. 6 Züge, 5 mal umsteigen und eine 11 stündige Fahrt liegen vor uns. Und das alles nur, weil der EC über Dresden keine Räder mitnimmt. So kämpfen wir uns über Halle, Zwickau, Hof nach Cheb. Da ist lustiges Rädertragen angesagt. Zwar immer unter Zeitdruck, aber zum Glück ist die DB pünktlich!


3 von 4 im Zug
In Cheb überkommt uns ein komisches Gefühl. Ansagen in fremder Sprache und keiner kann auch nur annährend Tschechisch. Den D-Zug nach Prag finden wir dennoch und nach einigen gestenreichen Überredungsversuchen akzeptiert der Schaffner auch unsere internationalen Radkarten und nimmt unsere Fahrräder mit. Und Zugfahren in Tschechien ist ein echtes Erlebnis: Wir sitzen in einem klassischen alten D-Zug made in GDR. Da schwingt und schaukelt man mit Highspeed durch die Landschaft. Die Toiletten mit Fußpumpe und direktem Blickkontakt aufs Gleißbett. Man fühlt sich an eigene erste Zugreisen vor 20 Jahren erinnert. Da liegt ein bisschen Abenteuer in der Luft und die ersten großen Eindrücke der Tour werden in einem D-Zug aus dem "VEB Waggongbauwerk Bautzen" gesammelt.


D-Zug Cheb-Prag
In schönster Nachmittagssonne erreichen wir den Prager Hauptbahnhof. Wir haben eine ungefähre Vorstellung, in welcher Richtung mögliche Campingplätze liegen könnten. Daher heißt es erstmal mit vollem Gepäck und den Rädern ab durch die Mitte und durch den dichten Berufsverkehr der Prager Innenstadt. Leider sind in Stadtplänen keine Höhenlinien eingezeichnet und so erwartet uns auch gleich eine saftige Steigung. Leider beginnt es oben zu regnen, so dass die Abfahrt auf rutschigen Pisten unnötiges Adrenalin freisetzt.

In Troja, einem Stadtteil am nördlichen Rand Prags, gibt es eine Strasse, mit 5 oder 6 Campingplätzen auf einer Strecke von 500m. Die Anwohner haben hier, jeder für sich, ihre Gärten zu kleinen Campingplätzen umgebaut. Oft gibt es auch kleine Hütten auf diesen Plätzen oder einzelne Zimmer in den Häusern selbst zu mieten. Wir finden zum Glück eine freie 4-Mann-Hütte und ziehen diese aufgrund des regnerischen Wetters für die nächsten Tage unseren Zelten vor.

Unser Zeltplatz wird von einem sehr netten älteren Ehepaar betrieben, was sich so ein paar Kronen zu seiner Rente hinzuverdient. Die Duschen sind heiß und kostenlos (ein entscheidendes Kriterium bei Campingplätzen!) und wir bezahlen 250Kr. Pro Person und Nacht (für einen Europreis ist alles durch 30 zu teilen). Wir planen daher, drei Nächte zu verweilen.

Nachts in Prag


Prag in der Nacht
Wir entschließen uns, zum Abendbrot in die Altstadt zu fahren. Mit dem Fahrrad sind das ja alles keine Entfernungen. Durch den hektischen Verkehr des Prager Abends schlängeln wir uns Richtung Zentrum. In der Altstadt umschwirren uns zahlreiche Essensgerüche, die unseren eh schon vorhandenen Hunger weiter anstacheln. Wir entscheiden uns für ein Steak-House direkt am Altstädter Markt. Das Essen ist vorzüglich, mehr als reichlich und recht billig; eine kulinarische Eigenschaft, die wir öfters sehen und schmecken werden.

Trotz der fortgeschrittenen Stunde tummeln sich Himmel und Menschen in den illuminierten Gässchen der Stadt. In das Getümmel klingt der Gesang eines Chores gemischt mit dem dazugehörigen Applaus. Optisch untermalt wird die Szenerie durch teilweise recht heftig aufflammende Wellen von Blitzlichtern. Die (Digital)Kameradichte erreicht mitunter Spitzenwerte. Canon hat in Prag ganz eindeutig das Monopol bei den analogen Spiegelreflexkameras! Wo man hinschaut EOS in allen Variationen. Als Objekte besondere Begierde stellen sich in diesem Zusammenhang für uns Laternenmasten als provisorische Stative in der Nacht heraus.

Viele Openair-Restaurants sind voll besetzt, man hört unzählige Sprachen, sieht fast ebenso viele Nationalitäten. Es sind weit mehr Menschen um diese nachtschlafende Zeit unterwegs als andernorts zur Rushhour bei Tageslicht. Über die Karlsbrücke entschwinden wir mit unseren Rädern für diese Nacht zurück zu unserer Hütte.

2. Tag in Prag


Stimmung auf der Karlsbrücke
Nach einem gemütlichen Frühstück geht's Richtung Innenstadt. Schon nach wenigen Metern entscheidet sich die Sonne, dauerhaft zu scheinen. Im erstbesten Radladen kauft sich Ivo die vergessenen Spanngurte nach.

Radfahrer scheinen in Prag allerdings als wirkliche Exoten angesehen zu werden. Sieht man mal von ein paar Radkurieren ab, so findet man kaum Radfahrer im Stadtbild. Genauso lange kann man nach Fahrradständern suchen. Wir fanden ganze zwei! Von Radwegen wollen wir hier erst gar nicht reden. Und auch die Blicke der Prager lassen eher den Schluss zu, dass man als Radfahrer ein krasser Außenseiter ist.


Fahrradständer in Prag - eine Seltenheit
Am Markt schließen wir unsere Räder bombensicher mit 5 Schlössern an einen Laternenmast. Stadtbesichtigungen im Menschengetümmel unternimmt man lieber ohne zu schiebenden Anhang. Durch die kleinen Gässchen vorbei an idyllischen Cafes und durch malerische Hinterhöfe schlängeln wir uns zum Pulverturm. Dies wird der erste von insgesamt 4 Türmen, die wir in Prag besteigen und von dem wir eine grandiose Aussicht auf die Dächer Prags genießen.

Betrachtet man die Läden in der Altstadt Prags, so könnte man glauben, Touristen kämen nur nach Prag, um a) Geld zu tauschen und b) damit Matruschkas und Böhmisches Kristall zu kaufen.


Blick vom Rathausturm
Der nächste Turm ist der des Rathauses. Hoch über der Astronomischen Uhr (deren Funktion wir trotz Hochschulbildung und Reiseführer nicht ergründen können) hat man einen Blick direkt auf den Altstädter Markt und seine unzähligen Besucher. Das ist nichts für Höhenängstige, weswegen sich Katja wohl auch eher im Hintergrund hält.

Nachdem wir uns bei einer Tasse Cappuccino in einem der unzähligen Hinterhöfe gestärkt haben, geht es auch schon auf den nächsten Turm - den Altstädter Brückenturm an der Karlsbrücke.

Wie am Vorabend ist diese sehr belebt. Dominiert werden die vielen Händler und Gaukler allerdings von Zeichnern und Malern aller Art. Am anderen Moldauufer speisen wir mit einem wunderschönen Blick auf die Karlsbrücke zu Abend und schlendern in der Dämmerung zurück zu unseren Rädern, in der Hoffnung, sie auch noch vorzufinden.

Tag 3 - Prag


Ivo Sekunden nach dem Taschendiebstahl
Unsere Räder standen noch da und so konnten wir auch am nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein wieder locker leicht in die Stadt radeln. An diesem Tag stand der Hradschin auf dem Programm. Doch vorher ging es, diesmal mit den Rädern, wieder über die Karlsbrücke. Und hier passiert Ivo nicht nur die "Panne des Tages" sondern der "Coup der gesamten Tour": Er lässt sich sein Portemonnaie klauen! Ich hatte immer wieder darauf hingewiesen, gerade im Mekka der Taschendiebe höllisch auf alles aufzupassen. Aber Ivo war dann wohl doch zu leichtgläubig. Nach den nötigen Telefonaten zur Kartensperrung (aus diesem Grunde trage ich immer sämtliche Sperrnummern bei mir) und einer kurzen Vorsprache bei der örtlichen Polizei musste auf den Schreck erstmal ein Mittagessen her - Knödel und Rotkohl, was sonst.

In schönster Mittagssonne schlendern wir langsam den Hradschin hinauf und können ein weiteres mal einen wunderschönen Blick über die rote Dächerkulisse Prags schweifen lassen. Die Besichtigung des Königlichen Palastes (Prager Fenstersturz!) und des Veits-Doms (inklusive einer Turmbesteigung) sind natürlich Pflicht, bevor es wieder hinunter geht.


In der Prager U-Bahn - mit den Rädern
Da Prag angeblich die einzige U-Bahn hat, in der man seine Räder mitnehmen kann (es finden sich keine Sperrkreuze am Eingang), lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, zwei Stationen bis zum Wenzelplatz zu fahren. Hier lässt sich zu fortgeschrittener Stunde und bei einsetzender Dunkelheit noch einmal wunderbar an den hell erleuchteten Geschäften entlangflanieren, bevor es durch die belebte Prager Nacht zurück zum Campingplatz geht.

An einem noch offenen Supermarkt gabeln wir zwei Radler auf, die die Moldau von der Quelle an abgefahren sind. Sie suchen noch einen Campingplatz und so bieten wir uns ihnen als Führer durch die Nacht an.

Tag 4 - Prag - Kralupy (46km)

Am ersten richtigen Etappentag heißt es pünktlich aufstehen. Halb 10 ist Abfahrt und wie durch ein Wunder stehen auch alle Rad bei Fuß zur richtigen Zeit am richtigen Ort.


Mitten durchs Gestrüpp
Kurz nachdem wir das Schloss Troja links passiert haben beginnt am Ortsausgang ein erstes Teilstück mit einem qualitativ sehr zweifelhaften Charakter. Die Tschechen scheinen eine Vorliebe für große, spitze Schottersteine zu haben. Es beginnt zu regnen, so dass wir kurz in einer Bushaltestelle Zuflucht suchen. Danach aber bricht das Wetter auf und die spät-augustliche Sonne scheint auf uns nieder.

Die folgenden 15 km verdienen fast durchgängig das Prädikat abenteuerlich. Durch dichtes Gestrüpp und über unzählige Wurzeln kämpfen wir uns auf Pfaden, die kaum zu ahnen sind, direkt am Moldauufer entlang.


"Immer nach rechts fallen"
Die mit Abstand abgefahrensten 5 Kilometer, die ich je gefahren bin, folgen allerdings hinter Rez: Der rechte Ellenbogen schleift entweder an der hohen Felswand oder streift durch dichtes Gestrüpp. Der linke Arm schwebt fast die ganze Zeit über einer 3m tiefen Kaimauer hinunter zur Moldau. Oft bleibt nur ein 20cm breiter Streifen. Hinzu kommen Wurzeln, Steine und ein ständiges auf und ab. Geschoben wird nicht, sondern stattdessen die Parole ausgegeben: "Immer nach rechts fallen!".

Entlohnt werden die Strapazen mit einem wunderbar asphaltierten Radweg bis nach Kralupy. Dort legen wir eine Mittagsrast ein. Eigentlich sollte hier erst die Hälfte der Etappe geschafft sein. Aber kurz hinter Kralupy reißt eine Kette. Ivos. Wessen sonst. Alles Probieren, Drücken und Fluchen hilft nichts. Ivo braucht definitiv eine neue Kette. Und das an einem Sonntagnachmittag. Zum Glück befindet sich nur 3 km entfernt ein Campingplatz. Wir fahrend, Ivo schiebend, erreichen diesen um drei und können sofort eine schöne 4-Mann-Hütte beziehen. Kai und ich machen uns danach noch einmal auf zurück nach Kralupy. Wir finden auch einen Radladen, bei dem Ivo am nächsten Morgen eine neue Kette erstehen wird.


Ivo mit Panne
In Anbetracht der Tatsachen, dass die Duschen des Campingplatzes nur kaltes Wasser liefern und dass es doch recht warm ist, wird kurzerhand beschlossen, in der Moldau zu baden. Anschließend darf zum Abendbrot einer unserer mitgebrachten Einweggrills dran glauben.






Tag 5 - Kralupy - Terezin (72km)


Rennfeeling
Ivo hat eine neue Kette und so kann es morgens losgehen Richtung Elbe. Wegetechnisch ist das gesamte Spektrum vertreten: undurchsichtige Steigungen durch Gestrüpp bei Veprek, Bundesstraßen mit viel LKW-Verkehr und ohne Randstreifen, geschweige denn einen Radweg und wunderschöne Nebenstraßen entlang des Moldau-Kanals bis Melnik. Dort erwartet uns nach einer starken aber sehr schön zu fahrenden Steigung ein wunderbarer Blick auf den Zusammenfluss von Moldau und Elbe. Natürlich wird sich mit einem ordentlichen Mittagessen auf dem Schlossberg auch gleich noch für die weiteren Kilometer gestärkt - wir werden es brauchen.


Unwetter in Sicht
Die ganze Fahrt über schon können wir am Horizont das Schauspiel eines beeindruckend anzusehenden Wolkenkanons beobachten. Diese soll uns aber später zum Verhängnis werden. Kurz nach Melnik passieren wir ein Kraftwerk quasi durch das Betriebsgelände und fahren nun sehenden Auges direkt in das sich abzeichnende Unwetter hinein. Auf einer mäßig befahrenen Straße rollt es sich aber gut dahin, so dass wir gut vorankommen. Müssen wir auch, denn zu diesem Zeitpunkt wollen wir noch bis ins 70km entfernte Usti.

Als allerdings kurz darauf der erahnte große Platzregen einsetzt und keine Besserung in Sicht scheint, beschließen wir, schon einen Campingplatz in Terezin anzusteuern. Vorher gilt es noch, die bei Radtouren oft so mühselige Suche nach einem Supermarkt mit einem Erfolg abzuschließen. In Roudnice werden wir fündig und können unseren Proviant aufstocken. Am Abend gibt es (wieder in einer kleinen Hütte) Spagetti vom Campingkocher. Die KZ-Gedenkstätte und die Festungsbauten Terezins können wir aufgrund des Wetters und der fortgeschrittenen Zeit nur im Vorbeifahren wahrnehmen.

Tag 6 - Terezin - Königstein (89km)


Steigung - bergauf
Morgens geht es nach einem knappen Frühstück zunächst nach Litomerice. Die Sonne scheint und eine SMS aus der Heimat vermeldet: Keine Echos auf dem Regenradar für ganz Böhmen und Sachsen. Das motiviert und lässt einen den mitunter wieder recht dunklen Wolken auch was schönes abgewinnen. Wie schon auf den vorherigen Etappen begleitet uns auch diesmal ein Duft überreifer, modriger Äpfel, der von den vielen Obsthainen immer wieder hinüberweht.

In Usti wird das Elbtal nun langsam enger und die Berge rücken links und rechts näher an den breiten Fluss heran. Malerisch erheben sich immer wieder Burgen an den Hängen über uns. Wir kommen auf wenig befahrenen Straßen, meist in unmittelbarer Nähe der Elbe, sehr gut voran und können bei Kilometer 40 in Velke Brezno eine ausgiebige Mittagsrast einlegen.

In Decin wird es dann im dichten Verkehr des frühen Nachmittags noch einmal hektisch, bevor es nach dieser letzten Stadt vor der Grenze zum Eingang des Elbsandsteingebirges geht. Kurz nach Decin wird das Elbtal so eng, dass lediglich eine Straße und eine Bahnlinie auf jeder Seite des Flusses Platz finden. Unser Weg ist allerdings für Autos gesperrt aber dennoch astrein asphaltiert.


Deutsch-Tschechische Grenze
Kaum ein Laut durchbricht die Stille und wir gleiten förmlich dahin. Lediglich das Klappern der eigenen Wasserflasche und das leichte Quietschen des Gepäckträgers sind zu vernehmen. Die größte Steigung des Tages an der linken Bergflanke hinauf umfahren wir mit mehr Glück als Verstand. Kurz vor dem Passieren der Grenze wird das letzte Kleingeld an einer Fährstation in Eis und Kaffee angelegt.

Ansonsten ist das Tal nahezu menschenleer und unbewohnt. Auch müssen wir feststellen, dass außer ein paar Sonntagsfahrern ohne Gepäck kaum ein Radwanderer unterwegs ist. Dieser Zustand ist schon seit Prag zu beobachten und liegt hoffentlich an der fortgeschrittenen Jahreszeit.


Abends im Zelt
Links und rechts erheben sich immer wieder die beeindruckenden Sandsteinfelsen in die warmgelbe Abendsonne. Dieser Abschnitt ist der mit Abstand schönste der gesamten Tour. Die Grenze wird trotz ihrer Unscheinbarkeit mit einem kurzen Raststopp gewürdigt. In Bad Schandau setzen wir mit einer der vielen Fähren über, in der Hoffnung, noch einen geöffneten Supermarkt zu finden. Doch zunächst finden wir ganz andere Dinge: eine 1a Uferpromenade mit geschnittener Rasenkante und handgeschnitzten Schutzhütten. Dies alles garniert mit einem wahren Meer aus Schildern, wie sie nur die Deutschen in ihrer Regelungswut aufstellen können, und von denen die Hälfte ausschließlich Hinweis-, Verbots- und Warnschilder rund ums Radfahren sind. Der örtliche Penny Markt hat leider 60sek vor unserer Ankunft mit einer Inventur begonnen und schließt deshalb eher. Unsere bittende Anfrage, ob wir nicht noch schnell an den eh langsameren Rentnern hinter zur Fleischtheke sprinten und etwas Grillfleisch holen könnten, wird brüsk abgewiesen. Auch das typisch Deutsch. Die letzten 2km zum Campingplatz in Königstein führen uns entlang der Bundesstraße. Warum wir nicht die ruhigere rechtselbische Variante mit anschließender Fährfahrt in Königstein gewählt haben, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. So müssen wir uns mit Rasern, Dränglern und Kontaktüberholern rumschlagen. Typisch deutsch eben. Es gibt Momente, da bedauert man es, sich heimisch zu fühlen.


Campingplatz bei Nacht
Der Campingplatz in Königstein ist dagegen erste Sahne. Durch den Aufbau nach der großen Flut 2002 ist alles im bestmöglichen deutschen Standard wieder hergerichtet worden. Wir kommen grade noch rechtzeitig, so dass unsere Brötchenbestellung für den nächsten Morgen noch zum örtlichen Bäcker gefaxt werden kann. Unsere zwei Zelte bauen wir direkt am Elbufer mit einem fantastischen Blick auf den gegenüberliegenden Lilienstein und die Festung Königstein auf. Alles in allem einer der schönsten Campingplätze, die ich bisher kennen gelernt habe.

Am Ende stehen die schönsten 89km der Tour auf dem Tacho.

Tag 7 - Königstein (15km)


Festung Königstein
Königstein ist bei mir für zwei Dinge bekannt: Seine atemberaubende Festung und den extremen Anteil an Rechtsextremen. Auf letztere werden wir durch unzählige NPD-Wahlplakate im Ort hingewiesen. Erstere erklimmen wir auf der alten Festungsstraße mit den Rädern und ohne Gepäck.

Die Festung aller Festungen und die Burg aller Burgen ist natürlich das Paradies für Burgenliebhaber wie mich. So verbringen wir bei strahlendem Sonnenschein über 5h auf dem Hochplateau und genießen eine fantastische Fernsicht über das Elbsandsteingebirge bis nach Dresden. Auf dem Rückweg werden durch die umliegenden Wälder die Beine noch ein wenig locker gefahren bevor es in einer rasenden Abfahrt hinunter ins Tal geht - 66km/h in einer geschlossenen Ortschaft sollten die Spitzengeschwindigkeit der Tour sein.

Am Ende dieses Tages vermeldet die Pannenstatistik zwei gedehnte Achillessehnen (wahrscheinlich aufgrund falscher Sattel- und Radeinstellungen), eine Gangschaltung, die nur in den oberen Gängen schaltet und einen defekten Tacho. Es muss an dieser Stelle nicht extra erwähnt werden, dass all diese Pannen auf Ivos Konto gehen.

Im Schein der untergehenden Sonne führen wir den noch verbliebenen Einweggrill seiner Bestimmung zu und stärken uns so für den kommenden Tag.

Tag 8 - Königstein - Dresden/Moritzburg (63km)

Eigentlich sollte es eine kurze und schnelle Etappe von Königstein zum Campingplatz in Moritzburg werden. Der Weg war fast ausschließlich mit sehr guter Qualität und ohne Autoverkehr ausgewiesen. Fast eben.

Da wir aber noch ein wenig mit den Fähren fahren wollten, und nur deswegen, setzten wir in Königstein an das rechte Elbufer über. Wir hätten den schreckgeweiteten Blick des Fährmanns und seine besorgten Fragen ernst nehmen sollen. Er wollte nicht glauben, dass wir die Rückfahrt nicht gleich mit buchen, sondern am rechtselbischen Ufer bis Wehlen radeln wollten. Erwartet hatten wir einen Weg mittlerer Qualität mit vielleicht dem ein oder anderen Schlagloch direkt am Elbufer. Es erwartet uns auch ein Weg direkt an der Elbe. Allerdings 40m über ihr, mitten im Wald, und ein Weg war's eigentlich auch nicht. Es ragten mehr Steine und Wurzeln aus dem Boden, als es Platz dazwischen gegeben hätte. Wir tragen, schieben, kämpfen und lesen später, dass dieser "Weg", wenn überhaupt nur ohne Gepäck zu befahren ist.

In Wehlen setzen wir wieder auf den regulären Radweg über. Und wie regulär der war! Bis nach Dresden wird uns eine eigene, geteerte Piste ohne Autos immer direkt an der Elbe geleiten. Das fördert den Fahrspaß und ist der Geschwindigkeit zuträglich. Es sind sehr viele Radfahrer unterwegs, obwohl es Donnerstagmittag ist. Allerdings kaum Radwanderer. An jeder Ecke findet man Hinweisschilder auf Radläden, Biker-Pensionen, Gaststätten, . Man kann sich praktisch gar nicht verfahren. Machen wir auch nicht und geraten erst hinter Dresden im Anstieg zur Moritzburg in ein Wanderweggewirr. Schlussendlich erreichen wir dennoch den Campingplatz und lassen uns ein erfrischendes Abendbad im angeschlossenen See natürlich nicht nehmen. Mit der untergehenden Sonne geht es noch einmal rein in den Ort und direkt auf das malerische Schloss Moritzburg zu. Ein stimmungsvoller Ausklang und die Vorfreude auf einen weiteren sonnigen Tag.


Moritzburg
Die "Panne des Tages" hatte übrigens wieder Ivo: Sein Fahrradständer (leichte Bauart) versagt unter der Last des Gepäcks seinen Dienst. Das daraufhin fallende Rad begräbt mich mitsamt Gepäck unter sich. Ich komme allerdings mit ein paar blauen Flecken und Prellungen glimpflich davon.





Tag 9 - Dresden (50km)


Konrad vor Konrad
Dresden ist eine Radfahrerstadt! Ausschilderung und Radwege sind mustergültig. In schönster Spätsommerhitze genießen wir die wiedererrichtete Frauenkirche, das Schloss, den Zwinger, die Semperoper und die experimentelle Fabrik, um nur einige der Sehenswürdigkeiten zu nennen. Natürlich darf auch eine Besteigung der Kreuzkirche für den Überblick nicht fehlen.

Dresden: Zu Recht die Perle des Ostens. Mit Flair und Lebensqualität.


Die neue Dresdener Frauenkirche
Die "Panne des Tages" kommt diesmal von . Ivo! Dabei hält der 9. Tag der Tour einen echten Klassiker parat, der schon früher zur Aufführung kam. Auch damals, auf der Donautour 2001, mit Ivo in der Hauptrolle. Nebenrollen: Ein Gepäckträger und 2 Schrauben. Nach einer wunderschönen asphaltierten Abfahrt hinunter nach Dresden fehlen an Ivos Gepäckträger beide(!) Schrauben zu dessen Befestigung auf Achsenhöhe. Quasi die Stütze des gesamten Systems. Ob rausgebrochen, rausgefallen oder rausgewackelt ist nicht zu klären. Nur, dass dies alles ohne jegliches Gepäck geschah.


Tag 10 - Dresden - Torgau (104km)


Frühstück vor dem Start
Zunächst geht es an diesem Morgen in lockerer Abfahrt hinunter nach Radebeul zurück zum regulären Elberadweg, der auch diesmal perfekt ausgebaut ist. Da macht das Fahren trotz Gegenwindes Spaß und die Strecke wird bei 29° zu einer wahren Rennstrecke. An diesem Samstag sind wieder zahlreiche Radler unterwegs, so dass es mitunter zu kleinen Staus kommt. Coswig und Meißen lassen wir schnell hinter uns und ziehen in großen Gängen Richtung Norden. Sehr schön und für solche großen Flüsse wie die Elbe eigentlich ungewöhnlich ist die meist unmittelbare Nähe zum Fluss.

Nachdem uns Restaurationen in Niederlommatzsch und Merschwitz zu teuer oder aber überfüllt (sprich einfach unterdimensioniert) waren, finden wir in Nünchritz ein sehr leckeres und reichhaltiges Mittagsangebot. Es ist immer wieder erstaunlich, was man doch auf einer solchen Tour alles an Energie in Form von Essen zu sich nimmt und verbrennt.


1. Deutsche Radfahrerkirche
Riesa wird kaum beachtet und nachdem wir schon in die Niederlommatzsch die Fähre nutzen konnten, wechseln wir auf diese Weise auch in Mühlberg die Flussseite. Die Straße rollt sich weiterhin gut und nur die anhaltende Sonne ohne Wolken macht uns zu schaffen. Zumal wir nur selten auf Gelegenheiten stoßen, um unser warmes Wasser durch kaltes zu ersetzen und aufzufüllen. Es finden sich einfach keine Bergquellen. Ist aber auch kein Wunder, denn wir befinden uns seit Dresden im platten, flachen Land.

Nachdem wir in Weßnig die 1. Fahrradkirche Deutschlands in Augenschein nehmen konnten, beginnt die Suche nach dem Torgauer Campingplatz. Dieser widersetzt sich zunächst all unserer Findungsversuchen durch die Abwesenheit jeglicher Hinweisschilder und erst ein Stück Bundesstraße bringt uns das gesuchte Schild (für Autos). Wir finden den Campingplatz, aber die mittlerweile verschwundene Sonne lässt uns schnell von einem Bad im "großen Teich" Abstand nehmen. Sie kann es uns an diesem Tag irgenwie nicht recht machen.


Tag 11 - Torgau - Wittenberg (88km)


Campingplatz Torgau
Die wohl langweiligste Etappe. Am Anfang ein bisschen Sehenswürdigkeitsfeeling in Form des Torgauer Schlosses und am Ende in Wittenberg. Dazwischen nur Felder, Wälder, 5mal die Elbe und wieder Sonne wohin man nur schaut. Bei wieder durchgehend asphaltierten Wegen wird man dann schon mal wählerisch bei der Art des Asphalts. Weich und klebrig, glatt, von Wurzeln durchdrungen, rau oder lediglich dünn auf ein bestehendes Kopfsteinpflaster aufgetragen. Alles ist dabei.



Wittenberg bei Nacht
In Pretzsch setzen wir wieder mit der Fähre über und in Elster, kurz vor Wittenberg, erreichen wir mit einer Eisdiele auch schon die letzte Verpflegungsstation der Etappe. Die Aussicht auf diese treibt Katja zu ungekannten Höchstleistungen und -geschwindigkeiten an. In Wittenberg können wir bei Verwandten Katjas im Garten übernachten. Einem mit fließend kaltem Wasser, welches wir nach der Hitze gerne und reichlich nutzen.

Abends folgt dann noch eine Stadtbesichtigung von Wittenberg bei Nacht und die Erkenntnis, dass auch im schönen Wittenberg Sonntagabends nicht wirklich was los ist.



Tag 12 - Wittenberg - Magdeburg (118km)


Quartett infernale
Bis Coswig (dem zweiten auf dieser Tour) kommen wir schneller als erwartet. Die erste von zwei Fähren an diesem Tag bringt uns an das Wörlitzer Ufer der Elbe. Dem gleichnamigen Park statten wir einen kurzen Besuch ab, bevor wir mit großen Tritten Dessau entgegenstreben. Der Radweg ist zwar nicht mehr asphaltiert, aber dennoch sehr gut zu befahren. In Dessau führt der Elberadweg direkt vorbei am Bauhaus und durch die Stadt. Bis Aken und der dortigen Fähre können wir den Radweg auch noch in seiner ganzen Pracht genießen.

Danach beginnt (auf der rechtselbischen Seite) so langsam das Grauen. Die Wege hier sind sandig, holprig, voller Löcher und sie zu befahren nervt einfach nur. Zumal mit ein paar Kilometern in den Beinen und Gepäck auf dem Träger. Wir drei Männer ziehen auf einem längeren Waldstück, in dem Glauben, Katja weit vor uns zu wissen, das Tempo an und bemerken erst durch Zufall und einige Kilometer später, dass sie am Rande des Zusammenbruchs hinter uns herhechelt.


Stadtgrenze Magdeburg
Dass in Dornburg die Dorfkneipe geschlossen hat und das damit verschobene Abendbrot hebt auch nicht grade Stimmung. Letztendlich finden wir mit der untergehenden Sonne und der Gewissheit, Magdeburg noch an diesem Tag zu erreichen, in Plötzky eine Gaststätte. Mein Kommentar "Demonstrieren und jammern, dass können die hier in Sachsen-Anhalt. Aber Radwege bauen können sie nicht!" wird vom Nachbartisch mit der Bemerkung gekontert: "Dann bleim se doch im Westen!". Das war zwar nett gemeint, lies aber außer acht, dass alle, bis auf Katja, gebürtige Sachsen-Anhaltiner sind. Sehr zu unserer Belustigung.


Empfang auf der Strombrücke
Hinter Plötzky wurde der Radweg neben und auf dem Elbdamm wieder befahrbar. Nur war es mittlerweile dunkel, so dass wir unter Flutlichtbeleuchtung und dem Motto "Es wird sich schon kein Loch öffnen" die Fahrt fortsetzten. Allerdings verfügte Ivo zu diesem Zeitpunkt, wie nicht anders zu erwarten, schon lange nicht mehr über eine funktionierende Lichtanlage. Das Frontlicht war ihm an einem der vergangenen Tage abgebrochen. Und aufgrund der hochintelligenten elektronischen Schaltung versagt ohne dieses auch das Rücklicht seinen Dienst.

Wir erreichten dennoch alle glücklich und wohlbehalten die Elbe an der Magdeburger Strombrücke und das dort wartende Empfangskomitee.

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